Der Weg zum Referendum

Samstag, 22. März 2014, 10:03 Uhr
Soldaten auf der Krim
Soldaten auf der Krim

© Sasha Maksymenko

Gewalttätige Proteste und der politische Umsturz in der Ukraine

Nachdem die Proteste am Maidan-Platz in Kiew gewalttätig außer Kontrolle geraten sind, unterzeichnete der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch am 21. Februar 2014 eine Vereinbarung zur Beilegung der Krise mit den Oppositionsführern Vitali Klitschko, Oleh Tjahnybok und Arsenij Jazenjuk. Diese Vereinbarung sah unter anderem eine Rückkehr zur früheren Verfassung von 2004, die Bildung einer Übergangsregierung und eine vorgezogene Präsidentschaftswahl vor. Die Entstehung der Vereinbarung wurde von vier Vermittlern (Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), Radoslaw Sikorski (Polen), Laurent Fabius (Frankreich) und Wladimir Lukin (Russland) begleitet, doch am Ende nicht vom russischen Vertreter Wladimir Lukin unterzeichnet. Außerdem lehnte der „Maidan-Rat“ – ein Rat, der aus Vertretern der Protestierenden besteht – die Vereinbarung ab.

Nachdem das Scheitern der Vereinbarung bekannt wurde, wechselten viele Polizisten und Sicherheitskräfte zu den Protestierenden. Die Proteste wurden immer gewalttätiger und gerieten zunehmend außer Kontrolle und das bestehende Macht- und Sicherheitsgefüge zerfiel. Viktor Janukowitsch floh zunächst in die ukrainische Stadt Charkiw im Nordosten des Landes, später setzte er sich nach Russland ab.

Übergangsregierung und Verschärfung des Konflikts

An nächsten Tag, den 22. Februar 2014, erklärte das 2012 gewählte, amtierende Parlament den Präsidenten Viktor Janukowitsch für abgesetzt und eine Übergangsregierung wurde gebildet. Ob dies rechtlich zulässig war, ist bis heute umstritten – dennoch haben alle europäischen Staaten, die USA und alle ehemaligen sowjetischen Staaten außer Russland die Absetzung des früheren Präsidenten und die Einsetzung der Übergangsregierung ausdrücklich oder zumindest indirekt anerkannt. Russland hingegen ist der einzige offizielle Gegner dieses Vorgehens und sah in weiterer Folge Viktor Janukowitsch weiterhin als legitimen Präsidenten der Ukraine an.

In der neuen Übergangsregierung sind auch Mitglieder radikal nationalistische und rechtsextreme Gruppierungen und Parteien vertreten. Diese haben vorher auch gewalttätig und paramilitärisch auf dem Maidan-Platz protestiert, was nicht nur von westlichen Ländern, sondern auch von Russland und von russischstämmigen Gruppen in der Ukraine kritisiert wurde und den Konflikt zwischen den einzelnen Gruppen innerhalb der Ukraine verstärkt hat.

Doch nicht nur das heizte den Konflikt an – am 23. Februar 2014 stimmte das Parlament für die Abschaffung des sogenannten „Sprachengesetzes“ von 2012, in dem neben Ukrainisch auch regional andere Amtssprachen, wie etwa Russisch, zugelassen waren. Durch die Abschaffung wäre nur noch Ukrainisch die einzige zulässige Amtssprache, was vor allem von den Bewohnern der Krim als inakzeptabel angesehen wurde. Zwar stoppte Übergangspräsident Alexander Turtschinow das Gesetz, für Unruhe auf der Krim und in Teilen der Ostukraine sorgte es aber trotzdem für weitere Unruhen.

Russische Propaganda und Bitte an Russland

Doch der Aufruhr in der Bevölkerung der Krim war kein Zufall – immer wieder sorgten russische Medien, die oft vom russischen Staat kontrolliert werden, für eine Anheizung des Konfliktes, indem gezielt falsche Meldungen oder Halbwahrheiten verbreitet wurden. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew sah etwa eine Gefahr für „Leben und Gesundheit unserer Landsleute“ in der Ukraine. Außerdem seien für den politischen Umsturz in Kiew nur Faschisten und Extremisten verantwortlich – was allerdings nicht stimmt: Zwar waren auch Faschisten und Extremisten unter den Protestierenden, sie waren aber nicht die einzigen und auch nicht in der Mehrheit. Die Proteste wurden von verschiedenen Gruppen und Parteien getragen.

Nachdem es am 21. Februar 2014 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Kiew kam, wollten Teile des Parlaments der Autonomen Republik Krim (die Krim war innerhalb der Ukraine selbständig) eine Bitte an Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin senden und damit um Unterstützung für die Krim in der Krise ansuchen. Doch außerparlamentarische (also nicht dem Parlament angehörende) Krimtataren, verhinderten dies, indem sie androhten, das Regionalparlament in Simferopol zu besetzen und die Abgeordneten bei ihrer Arbeit zu behindern. Infolgedessen sah das Parlament von der Bitte ab, auch eine mögliche Abspaltung der Krim wurde bis dahin noch nicht einmal angesprochen.

Besetzung des Regionalparlaments in Simferopol

Fünf Tage später, am 26. Februar 2014, kam es beim Parlamentsgebäude in Simferopol zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Anhängern der neuen ukrainischen Übergangsregierung und pro-russischen Demonstranten. Dabei wurden zwei Personen getötet und viele weitere verletzt.

Referendum

Ein Referendum ist eine Volksabstimmung über eine Vorlage, die etwa von der Regierung oder dem Parlament erarbeitet wurde. Teilnehmen an der Abstimmung können alle wahlberechtigten Bürger. Es ist Teil der direkten Demokratie.Tags darauf besetzten mit Gewehren bewaffnete Demonstranten das Regionalparlament in Simferopol und forderten die Abgeordneten auf, unverzüglich einen Termin für eine Volksabstimmung über die staatsrechtliche Zugehörigkeit der Krim festzusetzen. Die bewaffneten Demonstranten bezeichneten sich als „Selbstverteidiger der russischsprachigen Bevölkerung der Krim“.

In weiterer Folge wurde in einer nicht öffentlichen Sondersitzung des Regionalparlaments ein Termin festgelegt – ursprünglich der 25. Mai. Später wurde der Termin auf den 30. März und dann auf den 16. März vorverlegt. Ebenfalls am 27. Februar 2014 wurde Sergei Aksjonow zum neuen Ministerpräsidenten der Krim ernannt. Dieser erkennt die ukrainische Übergangsregierung in Kiew nicht an und betrachtet Viktor Janukowitsch weiterhin als rechtmäßigen Präsidenten. Ebenfalls an diesem Tag hat das Krimparlament Russland um Schutz vor gewaltbereiten ukrainischen Nationalisten und Extremisten gebeten. Außerdem wurden alle ukrainischen Soldaten, die auf der Krim stationiert waren, dem Regionalparlament in Simferopol unterstellt.

Russische Soldaten auf der Krim

Nachdem sich durch die Belagerung des Krimparlaments darin einiges getan hat, kam es auch zu Umstellungen von ukrainischen Militärbasen durch pro-russische, bewaffnete Demonstranten.

Der neue ukrainische Innenminister Arsen Awakow bezeichnete die Ereignisse auf der Krim als „bewaffnete Invasion“ und „Besetzung“ durch die russische Armee, laut der ukrainischen Übergangsregierung landeten am 27. Februar 2014 bis zu 2.000 russische Soldaten mittels Lufttransport auf der Krim. Überprüfen lassen sich diese Angaben jedoch nicht, denn der russische Vertreter beim UN-Sicherheitsrat in New York meinte, dies geschehe im Rahmen des Abkommens der Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim.

Am nächsten Tag bat das ukrainische Parlament den UN-Sicherheitsrat um ein Eingreifen in der Krise, was wiederum einen weiteren Tag später Wladimir Putin dazu brachte, den russischen Föderationsrat um die Erlaubnis für einen Einsatz der russischen Streitkräfte in der Ukraine zu bitten, um russische Bürger sowie die auf der Krim stationierten Soldaten zu beschützen. Der Föderationsrat ermächtigte wenige Stunden später Wladimir Putin zum Einsatz von Truppen. In einem Interview vor ausgewählten regierungsfreundlichen Reportern sagte Putin am 4. März 2014, ein Einsatz von russischen Soldaten auf der Krim sei „bisher“ noch nicht notwendig gewesen, „örtliche Selbstverteidigungskräfte“ hätten die Macht auf der Krim übernommen.

Während Putin beim russischen Föderationsrat um einen Truppeneinsatz bat, forderte der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow alle ukrainischen Militäreinheiten auf, sich in Alarmbereitschaft zu begeben.

Die gewalttätigen Auseinandersetzungen gehen weiter

Ziemlich unbeeindruckt davon blieben die gewaltbereiten Demonstranten. Es gibt Meldungen darüber, dass pro-russische Aktivisten pro-ukrainische Aktivisten verschleppt und getötet haben sollen. Und tatsächlich sind am 3. März 2014 drei pro-ukrainische Aktivisten spurlos verschwunden. Sie sollen von sogenannten „Selbstverteidigungskräften“ der Krim entfürhrt worden sein. Etwa zwei Wochen später tauchte die Leiche von einem der drei in einem Wald auf – was genau passierte, ist bislang noch nicht endgültig untersucht worden. Menschenrechtsorganisationen forderten deshalb die sogenannten „Selbstverteidigungskräften“ der Krim auf, sich aufzulösen oder den geordneten Sicherheitskräften anzuschließen, um Sicherheit für die Bevölkerung auf beiden Seiten herzustellen.

Ende der Pressefreiheit auf der Krim

Bis zum 7. März 2014 waren ukrainische Fernseh- und Radiosender auch auf der Krim empfangbar. Doch an diesem Tag wurden die insgesamt sieben Sender plötzlich abgeschaltet und durch russische Programme ersetzt. In Russland wurden regierungskritische Webseiten offline gesetzt und russischen Sendern wurde vorgeworfen, falsche Berichte verbreitet und über die Anwesenheit russischer Truppen auf der Krim nicht berichtet zu haben.

Am 11. März 2014 reagierte die ukrainische Übergangsregierung auf die medialen Veränderungen auf der Krim, in dem sie vier russischen Fernsehsendern die Sendeerlaubnis entzog. Auch soll einigen russischen Journalisten die Einreise in die Ukraine verweigert worden sein.

Aber auch ausländische Reporter hatten es nicht leicht: Sie wurden von pro-russischen Demonstranten und Teilen der sogenannten „Selbstverteidigungskräften“ der Krim bedrängt und bedroht und teilweise sogar körperlich misshandelt. Außerdem wurde ihnen manchmal die Ausrüstung (wie etwa Kameras oder Mikrofone) weggenommen oder diese so schwer beschädigt, dass sie nicht weiterarbeiten konnten.

Die Abstimmung

Während die Auseinandersetzungen – auch auf internationaler Ebene – weitergingen, schritten am 16. März 2014 viele wahlberechtigte Bürger der Krim zu den Wahlurnen, um ihre Stimme abzugeben. Die Texte auf den Stimmzetteln waren in Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch aufgeführt. Zur Wahl standen folgende zwei Möglichkeiten:

  1. Sind Sie für eine Wiedervereinigung der Krim mit Russland mit den Rechten eines Subjekts der Russischen Föderation?
  2. Sind Sie für eine Wiederherstellung der Gültigkeit der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für einen Status der Krim als Teil der Ukraine?

Eine Möglichkeit, dass alles so bleiben soll, wie es vor der Krise war (also das Verbleiben in der Ukraine ohne Wiederherstellung der Verfassung von 1992), gab es nicht. Kritisiert wurde vor allem, dass die Wahlzettel nicht in einen Umschlag gesteckt wurden und so jeder Anwesende in den gläsernen Wahlurnen sehen konnte, wie eine Person abgestimmt hat.

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